Zukunft des Industriestandorts Deutschland steht in Frage
Deutschland im Vergleich der OECD-Staaten weit abgeschlagen – das ist das enttäuschende Ergebnis auch des neuesten Länderindex im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Eine Trendwende ist nicht gelungen. Die Forscher des ZEW empfehlen umfassende Reformen, Prioritäten bei den öffentlichen Finanzen und die Abschaffung ganzer Gesetzespakete.
Personalabbau, Marktanteilsverluste und Investitionsschwäche: Die Nachrichten, die wir aus den Familienunternehmen bekommen, decken sich mit den katastrophalen Standortnoten unseres Länderindex. Die Politik hat in Teilen verstanden, dass dem mit mehr Schulden und Subventionen nicht beizukommen ist. Die klaren Empfehlungen der Forscher kann sie nun nicht mehr ignorieren.
München, den xx Januar 2025. Die neuen Musterschüler in der Rangliste der 21 wichtigsten Industriestaaten sind nicht mehr nur die USA und Kanada, sondern neu auf Platz 1 und 2 Dänemark und Schweden. Das zeigt: Es ist möglich, hochattraktive Standortbedingungen zu erschaffen – sogar innerhalb der Europäischen Union (EU) mit ihrer Bürokratie und ihren sozial ausgewogenen Gesellschaftmodellen.
Beim Forscherteam des Zentrums für Europäische Wirtschaftspolitik (ZEW) um Professor Friedrich Heinemann löst dies Zuversicht aus – auch mit Blick auf eine mögliche Reform-Agenda nach der bevorstehenden Bundestagswahl. Nötig seien eine wirklich spürbare Senkung der effektiven Steuerbelastung und eine durchgreifende Verbesserung der Investitions- und Innovationsanreize. Deutschland wie die anderen großen EU-Staaten seien unterwegs in eine ungewisse Zukunft. Ohne umfassende Reformen sei das bisherige Wohlstandsniveau nicht zu halten.
Gute Noten nur bei einem von sechs Indikatoren
Der Länderindex ist aus sechs Subindizes zusammengesetzt. Führend ist Deutschland weiterhin beim Indikator „Finanzierung“, der die öffentliche und private Verschuldung, die Kreditwürdigkeit und die Qualität der Kreditmärkte abbildet.
Beim Indikator „Steuern“ dagegen ist Deutschland auf dem vorletzten Platz; hier nehmen die osteuropäischen Staaten Spitzenplätze ein, während Deutschland seit Jahren passiv bleibt.
Enttäuschend fällt auch der Subindex „Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital“ aus (vorletzter Platz): Hohe Arbeitskosten treffen auf unterdurchschnittliche Produktivität und schwache Bildung.
Nochmal zwei Plätze schlechter als beim letzten Index 2022 schneidet Deutschland beim Faktor „Regulierung“ ab, hier vor allem in der Regulierung des laufenden Geschäftsbetriebs. Spitzenreiter Dänemark und Schweden setzen stärker auf markt-orientierte Ansätze, etwa in der Klimapolitik. Deutschland solle sich am besten einem „Null-Regulierungs-Denkmodell“ annähern, so die Forscher.
Um einen Rang verbessert zeigt sich der Indikator „Infrastruktur und Institutionen“, wobei die Subindizes für Deutschland ein disparates Bild zeigen: gut bei Korruptionskontrolle, vergleichsweise schlecht bei Kriminalität und politischer Stabilität, verbessert bei der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, unterdurchschnittlich bis sehr schlecht bei Straßen und Schienen.
Der erste Blick auf den Standortfaktor „Energie“ könnte zunächst erfreuen. Denn Deutschland hat sich von Rang 18 auf Rang 8 vorgearbeitet. Zu dieser Verbesserung haben Preis- und Wechselkurseffekte beigetragen. Dennoch bleiben die Energiepreise ein großer Standortnachteil Deutschlands, so das Forscherteam. Für Elektrizität muss hier nach wie vor mehr als Doppelte bezahlt werden – im Vergleich zu den günstigsten Ländern der OECD. Deutschland hat auch weit höhere Gas- und Kraftstoffpreise verglichen mit USA, Japan und dem gesamten westeuropäischen Durch-schnitt. Das Energieimportrisiko ist weiterhin hoch.
Personalabbau, Marktanteilsverluste und Investitionsschwäche: Die Nachrichten, die wir aus den Familienunternehmen bekommen, decken sich mit den katastrophalen Standortnoten unseres Länderindex. Die Politik hat in Teilen verstanden, dass dem mit mehr Schulden und Subventionen nicht beizukommen ist. Die klaren Empfehlungen der Forscher kann sie nun nicht mehr ignorieren.
Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen
Teaserbild: Unsplash, 2024