Deutschland langt bei Erbschaftsteuer stärker zu
Wenn Betriebsvermögen mit Erbschaftsteuer belegt wird, gelten in Deutschland Ausnahmeregeln. Lohnsummenregel und Verschonungsbedarfsprüfung stehen in der Kritik. Dazu ist in nächster Zeit neuerliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten. Grund genug, einen vergleichenden Blick ins Ausland zu werfen.
München, den 4. September 2024. Deutschland besteuert Erbschaften von Betriebsvermögen im internationalen Ländervergleich recht hoch. Bei Vererbungen an den Ehegatten weist Deutschland die stärkste Belastung auf, bei Vererbungen an ein Kind die dritthöchste. Zu diesem Schluss kommt ein internationaler Vergleich des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW – Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.
Von den 33 betrachteten Ländern erheben 14 Länder keine Erbschaftsteuer. Weitere 12 Länder stellen Erbvorgänge an Ehegatten und gegebenenfalls auch Kinder von der Steuer frei. Insgesamt 11 Länder sehen Vergünstigungen für das Erben von Unternehmen im Allgemeinen oder speziell von Familienunternehmen vor. In 17 von den 19 Ländern mit Erbschaftsteuer werden Zahlungserleichterungen (Stundung oder Ratenzahlung) gewährt.
Internationaler Vergleich der Regelungen
Ein internationaler Vergleich der Erbschaftssteuerregelungen liegt nur hier erstmals in dieser Stringenz und diesem Umfang vor, und zwar basierend auf einem am ZEW entwickelten Simulationsmodell. Hintergrund ist die intensive Debatte zur Rolle der Erbschaftsteuer im Steuersystem und zu ihrer Ausgestaltung. Dabei geht es zum einen um die Erzielung von Steuereinnahmen angesichts von Engpässen in den Länder-haushalten, zum anderen um Vorstellungen von einer gerechten Vermögensverteilung.
Der Anteil der Erbschaftsteuer am Gesamtsteueraufkommen ist in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren zwar kräftig gestiegen, betrug zuletzt aber nur 1,1 Prozent. Das ist allerdings immer noch doppelt so viel wie im OECD-Durchschnitt. In einem Großteil der betrachteten Länder hat die Steuer an Relevanz verloren oder wurde abgeschafft.
Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Vermögenswertentwicklung rechnen Experten in Deutschland mit einer Verdoppelung des deutschen Erbschaftsteueraufkommens auf bis zu 14,6 Milliarden Euro bis 2050. Das damit zu besteuernde Volumen an Erbschaften schätzen sie auf 290 Milliarden Euro.
Das Forscher-Team des ZEW geht davon aus, dass Erbschaftsteuern langfristig zur Senkung der absoluten Vermögensungleichheit beitragen können. Dabei sei allerdings zu beachten, dass eine Erbschaftsteuer das Verhalten der Wirtschaftssubjekte beeinflusst, also zum Beispiel die Investitionsneigung der Gesellschafter von Unternehmen, die Bereitschaft ihrer Ehegatten oder Kinder zur Unternehmensnachfolge oder die Entscheidung für einen Unternehmensverkauf. Die Belastung mit der Erbschaftsteuer kann sich so mittelbar auf Beschäftigung, Löhne oder auf Einnahmen anderer Steuerarten auswirken.
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer hat in Familienunternehmen eine besondere Bedeutung. Eine daraus resultierende Belastung wirkt sich auf die wirtschaftliche Situation von Familienunternehmen aus und beeinflusst die Entscheidungen der potenziellen Nachfolger für oder gegen die Unternehmensfortführung. Wir müssen in dieser Debatte auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland insgesamt in den Blick nehmen.
Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen
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