Erbschaftsteuer im internationalen Vergleich
- Herausgeber
- Stiftung Familienunternehmen
- Veröffentlichung
- München, 2024
- Institut
- ZEW Mannheim
- Isbn
- 978-3-948850-46-3
In Deutschland intensiviert sich aktuell eine Debatte, die sich mit der Rolle der Erbschaftsteuer im Steuersystem und mit ihrer Ausgestaltung beschäftigt. Dabei geht es zum einen um die Erzielung von Steuereinnahmen angesichts von Engpässen in den Länderhaushalten. Zum anderen stehen Vorstellungen von einer gerechten Vermögensverteilung im Fokus.
Ein weiterer Punkt: Zu den Ausnahmeregelungen bei der Belegung von Betriebsvermögen mit der Erbschaftsteuer (Lohnsummenregel, Verschonungsbedarfsprüfung) wird in nächster Zeit neuerliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erwartet.
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer hat in Familienunternehmen eine besondere Bedeutung. Eine daraus resultierende Belastung wirkt sich auf die wirtschaftliche Situation von Familienunternehmen aus und beeinflusst die Entscheidungen der potentiellen Nachfolger für oder gegen die Unternehmensfortführung.
Um die Debatte über die angemessene Besteuerung von Familienunternehmen nicht weiter losgelöst von der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu führen, erschien ein internationaler Vergleich der Erbschaftssteuerregelungen sinnvoll. Er liegt nur hier erstmals in dieser Stringenz und diesem Umfang vor, und zwar basierend auf einem am ZEW - Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung entwickelten Simulationsmodell.
Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung:
• Von den 33 betrachteten Ländern erheben 14 Länder keine Erbschaftsteuer.
• Weitere 12 Länder stellen Erbvorgänge an Ehegatten und gegebenenfalls auch Kinder von der Steuer frei (Steuersatz von null Prozent).
• Insgesamt 11 Länder sehen Vergünstigungen für das Erben von Unternehmen im Allgemeinen oder speziell von Familienunternehmen vor.
• Deutschland zeichnet sich im internationalen Ländervergleich durch eine vergleichsweise hohe Besteuerung aus. Bei Vererbungen an den Ehegatten weist Deutschland die stärkste Belastung auf, bei Vererbungen an ein Kind die dritthöchste.
• In 17 Ländern werden Zahlungserleichterungen (Stundung oder Ratenzahlung) gewährt.
Weitere wichtige Erkenntnisse:
• Der Anteil der Erbschaftsteuer am Gesamtsteueraufkommen ist in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren kräftig gestiegen, betrug zuletzt 1,1 Prozent. Das Steueraufkommen der Erbschaftsteuer spielt sowohl in Deutschland als auch in der Mehrheit der berücksichtigten Länder aktuell eine Nebenrolle. In einem Großteil der betrachteten Länder hat die Steuer an Relevanz verloren oder wurde abgeschafft.
• Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Vermögenswertentwicklung wird in Deutschland mit einer Verdoppelung des deutschen Erbschaftsteueraufkommens auf 14,6 Milliarden Euro bis 2050 gerechnet. Das damit zu besteuernde Volumen an Erbschaften wird im Mittel auf 290 Milliarden Euro geschätzt.
• Die empirische Evidenz zeigt, dass Erbschaftsteuern langfristig zur Minimierung der absoluten Vermögensungleichheit beitragen können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine Erbschaftsteuer das Verhalten der Wirtschaftssubjekte beeinflusst, also zum Beispiel die Investitionsneigung der Gesellschafter von Unternehmen, die Bereitschaft ihrer Ehegatten oder Kinder zur Unternehmensnachfolge oder die Entscheidung für einen Unternehmensverkauf. Die Belastung mit der Erbschaftsteuer kann sich so mittelbar auf Beschäftigung, Löhne oder auf Einnahmen anderer Steuerarten auswirken.
• Steuerplanung ist in der vorliegenden Studie aufgrund der Modellannahmen nicht berücksichtigt. Empirische Studien zeigen, dass Steuerplanung im erbschaftsteuerlichen Bereich in Deutschland sowie im internationalen Vergleich üblich ist. Reaktionen der Steuersubjekte beinhalten hierbei die zeitliche Optimierung der Übertragungen sowie die Verschiebung von Vermögen, um steuerliche Vorteile zu erlangen. Auch im gegenwärtigen steuergesetzlichen Rahmen existieren unterschiedliche Möglichkeiten, die steuerliche Belastung signifikant zu reduzieren. Diese sind jedoch insbesondere für mittelständische Unternehmen nur begrenzt verfügbar und gehen oftmals mit rechtlichen Unsicherheiten oder dem Verlust der unternehmerischen Kontrolle einher.