Digitalisierung bleibt der Schwachpunkt der öffentlichen Verwaltung

Manch großes Familienunternehmen wandert wegen der Bürokratie ab
Zu sehen ist ein Balkendiagramm, das die Zurückstellung von Investitionen aufgrund bürokratischer Anforderungen in Familienunternehmen, Nicht-Familienunternehmen und insgesamt abbildet. Die linke Seite veranschaulicht die Antwort der Unternehmen in Bezug auf die letzten zwei Jahre und die rechte Seite im Hinblick auf die nächsten zwei Jahre. Die Grafik zeigt, dass die Anzahl der Unternehmen, die Investitionen aufgrund bürokratischer Anforderungen zurückstellen, in allen drei Kategorien in den letzten zwei Jahren höher war als in den kommenden zwei Jahren. Gleichzeitig nimmt der Anteil der Unternehmen zu, die unsicher sind, wie sie handeln werden („Weiß nicht“).
Familienunternehmen stellen ihre Investitionen aufgrund von steigender Bürokratie zunehmend zurück © Stiftung Familienunternehmen, 2024

Die Digitalisierung gilt als Schlüssel, um die Last der Bürokratie für die Wirtschaft zu senken. Doch nur fünf Prozent der Unternehmen können mehr als 80 Prozent ihrer bürokratischen Anforderungen digital erledigen. Lange Genehmigungsverfahren und komplexe Steuergesetze lähmen die Investitionsbereitschaft. Gerade die großen Familienunternehmen sind auf dem Sprung ins Ausland, wie unsere ifo-Umfrage zeigt.

München, den 25. Oktober 2024. Trotz aller Initiativen der Politik zur Entbürokratisierung:
Die deutschen Familienunternehmen leiden unter der wachsenden Regulierungslast. Sie kostet nicht nur Zeit, Geld und Nerven, sondern beeinflusst zunehmend die Unternehmensstrategie.
Das zeigt der neue „Jahresmonitor“ der Stiftung Familienunternehmen zur Bürokratiebelastung.

Zu sehen ist ein Balkendiagramm mit drei Balken ("Ja, Nein und "Weiß nicht"). Die Graphik zeigt, wie viele der TOP 500 Familienunternehmen planen ihr Unternehmen bzw. Anteile aufgrund der Bürokratiebelastung in Deutschland ins Ausland zu verlagern. Während fast 43% eine Verlagerung ins Ausland erwägen, geben rund 50% an, dass dies bei ihnen nicht geplant ist. 7% geben an noch unsicher zu sein.
43 Prozent der großen Familienunternehmen planen eine Verlagerung von Unternehmensteilen oder gar des ganzen Unternehmens ins Ausland © Stiftung Familienunternehmen, 2024

Die Hälfte der Familienunternehmen hat in den letzten zwei Jahren Investitionen aufgrund von bürokratischen Hemmnissen zurückgestellt; 40 Prozent fürchten, dies in den nächsten zwei Jahren tun zu müssen. Die Verlagerung von Unternehmensteilen oder gar des ganzen Unternehmens ins Ausland ist gerade für große Familienunternehmen teils eine reelle Option: 43 Prozent planen dies.

Zu sehen ist ein Balkendiagramm mit vier Balken, das die Zufriedenheit von Familienunternehmen mit der Zusammenarbeit mit öffentlichen Verwaltungen abbildet. Dabei wird zwischen der Stadt- oder Gemeindeverwaltung, dem Landratsamt bzw. der Kreisverwaltung, der Landes- und Bundesverwaltung sowie der Arbeitsagentur bzw. dem Jobcenter unterschieden. Am zufriedensten mit öffentlichen Verwaltungen sind Familienunternehmen auf kommunaler Ebene, während auf Landes- bzw. Bundesebene das Gegenteil der Fall ist.
Die Erfahrung mit der Behörde sind auf kommunaler Ebene durchaus positiv © Stiftung Familienunternehmen, 2024

Je ferner von der Behörde, desto unzufriedener

Das Team um ifo-Forscher Dr. Klaus Wohlrabe fragte nicht nur nach dem Erfüllungsaufwand (er ist bei gut 90 Prozent der Befragten seit 2022 gestiegen). Ermittelt wurden die konkreten Erfahrungen mit den Behörden. Diese sind immerhin auf kommunaler Ebene durchaus positiv. 43 Prozent der Befragten sind mit der Stadt- oder Gemeindeverwaltung zufrieden – aber nur 22 Prozent mit dem Landratsamt oder der Kreisverwaltung und nur 7 Prozent mit der Landes- oder Bundesebene.

Das Balkendiagramm zeigt die Gründe für positiven Erfahrungen von Familienunternehmen mit Behörden. Es wurden acht Faktoren bewertet, wobei die Antworten in "Ja", "Nein" und "Weiß nicht" unterteilt sind. Eine positive Erfahrung wird vor allem durch eine  aussagekräftige, kompetente und vertrauensvolle Person begünstigt. Schlechte Erfahrungen werden hingegen häufig auf einen unzureichend digitalisierten, ineffizienten und komplizierten Prozess zurückgeführt.
Die schlechten Erfahrungen beziehen sich vorwiegend auf den Verwaltungsprozess und den Grad der Digitalisierung © Stiftung Familienunternehmen, 2024
Das Balkendiagramm zeigt, wie viel Bürokratie digital erledigt werden kann. Die Kategorien reichen von „0 bis 19%“ (rot) bis „80 bis 100%“ (grau). Bei Familienunternehmen (FU) können nur 11,3 % der Befragten 60 bis 79% ihrer Bürokratie digital erledigen. Bei Nicht-Familienunternehmen (NFU) ist der Anteil höher (14,7%), aber nur 6,6% der NFU erreichen „80 bis 100%“. Insgesamt schafft es die Mehrheit der Unternehmen nur, 20 bis 39% der Bürokratie digital abzuwickeln (30,3%).
Nur knapp 5 Prozent der Unternehmen können mehr als 80 Prozent ihrer externen Bürokratie online bewerkstelligen © Stiftung Familienunternehmen, 2024

Die Unzufriedenheit liegt laut Umfrage weniger in den Personen in den Behörden begründet (mehr als zwei Drittel bewerten sie als aussagefähig, kompetent und vertrauensvoll). Die schlechten Erfahrungen beziehen sich eher auf den Verwaltungsprozess und den Grad der Digitalisierung. Diese hat nur in etwa einem Fünftel der Fälle zu einer positiven Prozesserfahrung beigetragen.

Große Familienunternehmen sind noch kritischer. Die Digitalisierung hat bei ihnen nur in 11 Prozent der Fälle einen positiven Eindruck hinterlassen. Sie sehen auch die Amtspersonen kritischer. Bei der Betrachtung einzelnen Branchen fällt auf, wie schlecht gerade die Erfahrungen der Bauindustrie mit den Behörden sind.

Die ifo-Forscher stellen fest: Der Ausbau der digitalen Verwaltung kommt in Deutschland kaum voran. Nur knapp 5 Prozent der Unternehmen können mehr als 80 Prozent ihrer externen Bürokratie online bewerkstelligen. Bei den Top 500 Familienunternehmen sind es nur 4 Prozent.

Das Balkendiagramm zeigt in Prozent, welche Maßnahmen Unternehmen als wichtig für den Abbau von Bürokratie erachten. Besonders hohe Zustimmungswerte erhalten der „Praxischeck für neue Regelungen/Gesetze“ (52,9%), die „Beschleunigung von Verfahren“ (51,2%) und der „Ausbau der Digitalisierung“ (50%). Als weniger relevant werden Maßnahmen wie die "Persönliche Ansprechperson in der Verwaltung" (17,7%), die „Leichtere Ausfüllbarkeit von Formularen“ (18,9%) und die „Bessere Verständlichkeit der Gesetze/Verordnungen“ (23,9%) betrachtet.
Rund die Hälfte aller Unternehmen erkennt im Ausbau der Digitalisierung, in der Beschleunigung von Verfahren sowie dem Praxischeck neuer Regelungen die größten Potentiale zur Reduzierung von Bürokratie. © Stiftung Familienunternehmen, 2024

Diese Zahlen machen mich wütend. Die Familienunternehmen fordern auch in dieser Umfrage wieder Offensichtliches: einen Praxischeck für neue Regulierungen, eine Beschleunigung der Verfahren, den Ausbau der Digitalisierung und die Beschränkung auf wesentliche Angaben. Weil wir sonst unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen

Für den „Jahresmonitor“ hat das ifo Institut fast 1800 Unternehmen befragt, davon rund 1400 Familienunternehmen verschiedenster Größe und Branchen. 57 Familienunternehmen in der Umfrage gehören den so genannten Top 500 an, haben also mindestens 2000 Mitarbeiter. Die 57 repräsentieren ein Umsatzvolumen von rund 92 Milliarden Euro und ein Personal von rund 400.000 Personen.

Cor­ne­lia Knust​

Leiterin Kommunikation​
Cornelia Knust

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