Abkoppeln vom Welthandel träfe Regionen besonders hart

Große Familienunternehmen hätten beim Decoupling die stärksten Einbußen
Deutschland-Karte: Die kurzfristigen prozentualen Realeinkommenseffekte bei einem Stopp von EU-Zwischengüterimporten aus dem Sektor "Maschinenenbau, Ausrüstung", welcher die Chipfertigung beinhaltet
Die kurzfristigen prozentualen Realeinkommenseffekte bei einem Stopp von EU-Zwischengüterimporten aus dem Sektor "Maschinenenbau, Ausrüstung", welcher die Chipfertigung beinhaltet © Stiftung Familienunternehmen

München, den 4. Mai 2023. Der Preis für eine strategische Autonomie der EU und ein Reshoring von Wertschöpfungsketten wäre in Deutschland sehr hoch, und zwar vor allem kurzfristig, vor allem in bestimmten Sektoren und regional hochkonzentriert.

Das zeigt die neue Studie der Stiftung Familienunternehmen „Der Volkswirtschaftliche Schaden von Decoupling in Deutschland“. Sie berechnet Szenarien für das ganze Land und für die 400 Kreise. Autor ist Gabriel Felbermayr, Präsident des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO, gemeinsam mit Dr. Oliver Krebs, Zürich.

Vorteile der internationalen Arbeitsteilung überwiegen

Betroffen sind, so die Autoren, besonders die großen Familienunternehmen. Für sie übertreffen die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung bei weitem die Schmerzen aus unterbrochenen Lieferketten oder verschlossenen Absatzmärkten.

Deutschland-Karte: Die kurzfristigen prozentualen Realeinkommenseffekte bei einem Stopp von EU-Zwischengüterhandel mit dem "Rest der Welt", welcher die Überseeregionen (inkl. China und den USA) erfasst.
Die kurzfristigen prozentualen Realeinkommenseffekte bei einem Stopp von EU-Zwischengüterhandel mit dem "Rest der Welt", welcher die Überseeregionen (inkl. China und den USA) erfasst. © Stiftung Familienunternehmen

Felbermayr empfiehlt der Politik daher, mit großer Vorsicht an das Thema Entkoppelung heranzugehen. Von entscheidender Bedeutung sei, dass die deutsche Wirtschaft Zeit zur Anpassung hat. Außerdem empfiehlt er der Regionalpolitik, negative Effekte abzufedern: durch staatliche Investitionen, Förderung des Arbeitsmarkts oder der Ansiedlung von Betrieben. Das würde gerade Familienunternehmen helfen, die durch ihre Verteilung auf die Sektoren und Regionen (Cluster) besonders exponiert sind. Bei ihnen ist der Verlust an Wertschöpfung durch Entkoppelung oft zweimal bis dreimal größer als im Durchschnitt.

Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „Die Erfahrungen der Corona- und Ukrainekrise haben Politik und Unternehmen zu einer Neubewertung von Lieferketten und Abhängigkeiten gebracht. Das ist vernünftig. Doch wie die Studie zeigt: Die Vorteile des globalen Handels sind meist unschlagbar. Sie zeigt aber auch, wie anpassungsfähig die Spieler in einer sozialen Marktwirtschaft sind, in der Preise steuern und nicht ein vermeintlich allwissender Staat.“

Größte Abhängigkeit nicht von China

Die Studienautoren betrachten nur den Handel mit Vor- und Zwischenprodukten. Dabei haben sie rund 3 Millionen Sektor-Land-Verbindungen aufgeschlüsselt. Sie arbeiten mit Input-Output-Tabellen der OECD sowie einer Vielzahl weiterer Datenquellen im regionalen Bereich. Sie haben auch die Datenbank FamData der Stiftung Familienunternehmen und des ifo Instituts einbezogen. Gemessen werden die Effekte auf das reale Durchschnittseinkommen.

Dieses sinkt auf Bundesebene in den Modellen am stärksten bei Abkoppelung der USA (minus 3 Prozent), gefolgt von China und Großbritannien (jeweils minus 2 Prozent) und dann von Schweiz und Russland (jeweils minus 1,5 Prozent). Eine exportseitige Entkoppelung wäre mit den USA besonders teuer, importseitig besonders mit China. Sehr unterschiedlich sind die Effekte in den einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft und damit auch auf die Regionen, in denen sie sich konzentrieren. Die empfindlichsten Sektoren sind demnach Handel, Informationstechnologie und Finanzdienstleistungen.

Hohe Verluste an Realeinkommen in vielen Landkreisen

In vielen Kreisen würde das Realeinkommen durch eine Entkoppelung von allen Überseeregionen zwischen 20 und 36 Prozent fallen. Vor allem der Nordwesten der Republik wäre betroffen. Auch die geografische Nähe zum Handelspartner spielt eine Rolle, so die Nähe Südwestdeutschlands zur Schweiz.

Zusammenfassend ist zu sehen: Decoupling würde ernorm kostspielige und langwierige Anpassungsprozesse für Unternehmen, Branchen und Regionen bedeuten. Rechtssicherheit durch Handelsabkommen erscheint den Studienautoren als der klügere Weg, um die Konsummöglichkeiten in Deutschland und seinen Regionen zu schützen.

Datum
4.5.2023, München

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