Vorrang für Osteuropa bei Investitionen in Ausbildung
München, den 1. Februar 2023. Das Wachstumspotenzial in Mittel- und Osteuropa (MOE) für Familienunternehmen ist erheblich; es fehlt jedoch an qualifizierten Fachkräften. Die Ausbildung im Betrieb ergänzt durch die Berufsschule (duale Ausbildung) ist in der Region noch wenig etabliert, und entsprechende Strukturen fehlen oft.
Gerade die deutschen Familienunternehmen machen schon viel, können ihre Aus- und Weiterbildung dort jedoch noch ausbauen. Dies gilt sowohl für den Umfang als auch für die Organisation vor Ort. Das verdeutlicht die neue Studie „Duale Ausbildung und Weiterbildung in Mittel- und Osteuropa“ der Stiftung Familienunternehmen. Sie untersucht erstmalig, wie sich Familienunternehmen in der Region als Ausbildungsbetriebe engagieren, und gibt Handlungsempfehlungen.
Probleme auf dem örtlichen Arbeitsmarkt
Die Forscher der Universität Bremen unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Gessler haben dafür sieben Länder analysiert, die für die deutsche Außenwirtschaft wichtig sind: Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Slowakei und Serbien. Allein in diesen Ländern sind 4.520 Niederlassungen deutscher Unternehmen mit insgesamt über 1,4 Millionen Beschäftigten tätig.
Zusätzlich führten die Forscher empirische Befragungen bei 193 deutschen Familienunternehmen durch. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa 90 Prozent von ihnen Probleme haben, Mitarbeiter mit den gesuchten Qualifikationen auf dem örtlichen Arbeitsmarkt zu finden. Anhand von Unternehmensbeispielen wie Gühring (Polen), Mubea (Tschechien) oder Festo (Ungarn) liefert die Studie zusätzlich detaillierte Einblicke, wie duale Ausbildungsstrukturen in diesen Ländern etabliert werden können.
Mehr Kooperationen und europäisches Denken
Die Forscher formulieren neun konkrete Handlungsempfehlungen, um die berufliche Aus- und Weiterbildung in MOE aufzuwerten und attraktiver zu machen. Sie plädieren dafür, dass Bildungsministerien in Deutschland und MOE künftig miteinander kooperieren. Auch die Unternehmen sollten stärker zusammenarbeiten. Auszubildende sollten die Chance erhalten, im Ausland zu hospitieren, beispielsweise im Mutterunternehmen in Deutschland. Adressaten der Empfehlungen sind neben den Familienunternehmen selbst die Bildungsministerien, Wirtschafts- und Sozialpartner, Auslandshandelskammern und Berufsschulen in MOE.
„Die Region Mittel- und Osteuropa hat für die deutsche Wirtschaft eine herausragende Bedeutung. Das zeigt schon die Rangfolge unserer Handelspartner im Außenhandel: Wir importieren mehr aus Polen als aus Frankreich oder Italien. Und wir exportieren mehr nach Tschechien als nach Spanien oder Schweden“, sagt Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „In Mittel- und Osteuropa mangelt es jedoch an Fachkräften. Deutsche Familienunternehmen engagieren sich bereits, aber die Aus- und Weiterbildung vor Ort muss dringend gestärkt werden. Das ist ein Gewinn für die Arbeitsmärkte Europas.“
Großes Engagement deutscher Familienunternehmen
Die Befragung der 193 Unternehmen zeigt, dass 73,6 Prozent davon vor Ort ausbilden, unter anderem auch, um gesellschaftliche und soziale Verantwortung zu übernehmen. Bis Ende 2023 wird diese gute Quote voraussichtlich auf 89 Prozent ansteigen. Über 70 Prozent der Unternehmen nehmen sich darüber hinaus für die kommenden Jahre eine deutliche Steigerung ihres Engagements im Bereich der Weiterbildung vor.
Seit über 20 Jahren bestehen in Europa Zielvereinbarungen, um einen „europäischen Berufsbildungsraum“ zu schaffen. Diese haben in den letzten zehn Jahren ihre Wirkung insbesondere in sechs der sieben untersuchten Länder in Mittel- und Osteuropa gezeigt. Denn in Ungarn, Bulgarien, der Slowakei, Polen, Rumänien und in Serbien wurden Gesetze zur dualen Ausbildung geschaffen oder Gesetze angepasst. In Tschechien fehlen umfassende Reformen noch.
Teaserbild: Auszubildende © istock / monkeybusinessimages