Ausgebremst vom Fachkräftemangel
München, den 16. November 2022. Aufträge können nicht bearbeitet werden, die Personalkosten steigen rasant, und die Belegschaften ächzen unter der Mehrarbeit. Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen sind vom Fachkräftemangel gleichermaßen betroffen, und zwar flächendeckend in Deutschland, in allen Branchen – und so, dass es weh tut.
Weiterbildung, flexiblere Arbeitszeiten und bessere Bezahlung heißen die bevorzugten Gegenmaßnahmen bei den Familienunternehmen. Vor allem warten die Betriebe auf die politischen Entscheidungen, die schon im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung formuliert, aber noch nicht umgesetzt wurden.
Riesiger Aufwand bei Neubesetzungen
Das zeigt eine neue Umfrage der Stiftung Familienunternehmen bei mehr als 1.700 Unternehmen, darunter rund 1.300 Familienunternehmen. Danach sagen 87 Prozent der Unternehmen, dass sie die Auswirkungen des Fachkräftemangels spüren. Mehr als ein Drittel der Befragten sieht darin eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit. Mehr als die Hälfte fürchten das steigende Risiko brechender Wertschöpfungsketten, weshalb sie an Outsourcing denken. 82 Prozent der Unternehmen bezeichnen den Aufwand zur Neubesetzung von Stellen als hoch oder sehr hoch.
Von Seiten der Politik wünschen sich die Unternehmen ein Maßnahmenpaket. Besonders viel Anklang findet die Förderung von Ausbildungsberufen, etwa durch bessere Berufsbildung an Schulen (88 Prozent Zustimmung) oder Ausbildungsbotschafter. Die Zuwanderung von Fachkräften sollte erleichtert und ihre Abschlüsse sollten einfacher anerkannt werden (74 Prozent Zustimmung). Ältere Menschen sollten länger arbeiten können, nicht berufstätige Frauen Anreize erhalten, eine bezahlte Beschäftigung aufzunehmen – das unterschreiben gerade die Familienunternehmen besonders häufig.
Dazu Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „Der Mangel an qualifizierten und mittlerweile an Mitarbeitern überhaupt ist neben Rohstoff- und Energieknappheit die dritte Bedrohung für den Standort Deutschland. Vor allem eine, gegen die Unternehmen und Politik etwas tun können. Die Instrumente werden auch ein Jahr nach der Bundestagswahl mehr diskutiert als präzisiert. Die Umfrage zeigt, es ist aus Sicht der Unternehmen höchste Zeit zu beginnen.“
Endlich Zuwanderung umfassend ermöglichen
Angelique Renkhoff-Mücke, Gesellschafterin und Vorstandsvorsitzende der Warema Renkhoff SE in Marktheidenfeld, meint dazu: „Der aktuelle Arbeitskräftemangel war absehbar und wir stehen dabei erst am Anfang dieser Entwicklung. Leider fällt es vor allem der Politik schwer, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählt auch, endlich Zuwanderung umfassend zu ermöglichen und nicht durch ein überbordendes Regelwerk auf wenige Ausnahmen zu beschränken.“
Die Forscher des ifo Instituts als Organisatoren der Umfrage haben die Unternehmen zudem befragt, wie sie selbst dem Risiko Fachkräftemangel begegnen. Die wichtigste Gegenmaßnahme heißt Weiterbildung: 91 Prozent der Umfrageteilnehmer setzen sie schon um oder planen sie – ein hoher Wert für ein in der Öffentlichkeit immer noch unterschätztes Instrument. Man will sich auch insgesamt attraktiver machen: Flexible Arbeitszeiten gehören zum Standard (70 Prozent), ebenso eine bessere Bezahlung (77 Prozent). Eine komplette Umstellung von Stellen auf Homeoffice haben aber nur knapp 17 Prozent der Unternehmen umgesetzt.
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