Talente verzweifelt gesucht

Wie der Arbeitskräftemangel Familienunternehmen ausbremst

Die Konjunktur lahmt, die großen Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen jüngst erneut nach unten korrigiert. Das hinterlässt inzwischen auch Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Einige Großkonzerne machen mit Stellenstreichungen Schlagzeilen, andere Unternehmen verzichten vorsorglich auf Neueinstellungen. In diesem Klima scheint eines der drängendsten Probleme der vergangenen Jahre in den Hintergrund zu rücken: der Fachkräftemangel.

Doch das Problem ist nicht behoben, sondern lediglich von der schwachen Konjunktur überlagert. Das belegen Statistiken und Umfragen.

Gerade für Familienunternehmen bleibt die Lage ernst. Für sie ist die Fachkräftesicherung Grundvoraussetzung, wettbewerbsfähig, produktiv und innovativ zu bleiben. Ohne gut ausgebildetes Personal geraten nicht nur alltägliche Abläufe ins Stocken, auch zentrale Zukunftsprojekte drohen zu scheitern.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Vakanzzeit über alle Berufe seit dem Jahr 2000. Es wird die Dauer des Recruiting-Prozesses vom Ausschreibungszeitpunkt einer offenen Stelle bis zur Neubesetzung in Tagen gemessen. Im Juni 2022 lag die durchschnittliche Vakanzzeit bei 136 Tagen, was etwa viereinhalb Monaten entspricht. Damit hat sie sich in den letzten elf Jahren mehr als verdoppelt.
Die Abbildung zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Vakanzzeit über alle Berufe seit dem Jahr 2000. Es wird die Dauer des Recruiting-Prozesses vom Ausschreibungszeitpunkt einer offenen Stelle bis zur Neubesetzung in Tagen gemessen. Im Juni 2022 lag die durchschnittliche Vakanzzeit bei 136 Tagen, was etwa viereinhalb Monaten entspricht. Damit hat sie sich in den letzten elf Jahren mehr als verdoppelt.

Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit

Eine Umfrage der Stiftung Familienunternehmen unter mehr als 1.700 Betrieben aus dem Jahr 2022 zeigt, wie spürbar der Mangel ist. 87 Prozent der befragten Unternehmen berichten, dass sie unter den Folgen des Fachkräftemangels leiden. Mehr als ein Drittel sieht darin eine akute Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit. Mehr als die Hälfte der Unternehmen befürchtet, dass Engpässe in der Belegschaft das Risiko unterbrochener Wertschöpfungsketten erhöhen – eine Entwicklung, die Outsourcing für viele zur erzwungenen Strategie macht. 82 Prozent der Befragten empfinden die Neubesetzung offener Stellen als übermäßig aufwendig.

Engpässe in Schlüsselbranchen: Innovationshemmnis und Wachstumsbremse

Besonders gravierend sind die Folgen des Fachkräftemangels in der digitalen Wirtschaft. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen blieben schon Ende 2022 sechs von zehn Stellen im Bereich der digitalen Transformation unbesetzt. Eine alarmierende Zahl in einer Zeit, in der Innovationen entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands sind.

Der Fachkräftemangel zeigt sich aber auch in anderen Sektoren. Gerade für den Ausbau von Umwelttechnologien – eine Schlüsselbranche der Zukunft – fehlen qualifizierte Fachkräfte in erheblichem Maße. Ohne sie geraten ehrgeizige Klimaziele ebenso in Gefahr wie die Innovationskraft. Ausgeklügelte Konzepte werden nur dann funktionieren, wenn es Menschen gibt, die sie umsetzen können.

Zu sehen ist eine Grafik der Stiftung Familienunternehmen aus dem Jahr 2024. Die Grafik zeigt die Arbeitskräftepotentiale innerhalb verschiedener Bevölkerungsgruppen. Es wird unterschieden, ob es bei diesen Gruppen allein um die Arbeitszeit geht, oder grundsätzlich, dass Personen aus diesen Gruppen überhaupt Erwerbstätig sind. 
Das größte Potential besteht bei Frauen ohne Kindern bis 14 Jahre. Hier kann die Arbeitszeit angehoben werden.
Die Grafik zeigt die wöchentliche Arbeitszeit von Männern und Frauen ohne Kindern bis 14 Jahre im Haushalt. Das Ergebnis: Die Arbeitszeit von Frauen ist durchschnittlich niedriger, vor allem wenn sie zwischen 35 und 45 Jahre alt sind.

Die ungenutzte Ressource: Verborgene Potenziale im Inland

Um dem Engpass Herr zu werden, spielt die Anwerbung ausländischer Fachkräfte eine wichtige Rolle. Zugleich gibt es aber erhebliche ungenutzte Potenziale im Inland. Eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen aus dem Jahr 2024 zeigt: Es gibt viel Potenzial bei älteren Arbeitnehmern, Menschen ohne Berufsabschluss und bereits in Deutschland lebenden Zugewanderten. Vor allem aber bei teilzeitbeschäftigte Frauen ohne betreuungspflichtige Kinder. Die Studienautoren haben vier Botschaften:

  • Mehr Qualifizierung, mehr Chancen: Eine bessere berufliche Qualifikation – sei es durch eine Ausbildung oder eine Weiterbildung – könnte das Arbeitskräfteangebot um 1,175 Millionen Vollzeitstellen erhöhen.

  • Ältere Arbeitnehmer mobilisieren: Eine realistische Einschätzung zeigt, dass in der Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen rund 414.000 zusätzliche Vollzeitkräfte aktiviert werden könnten.

  • Erwerbsbeteiligung von Zugewanderten steigern: Bei den schon in Deutschland lebenden Personen mit Migrationshintergrund könnte realistisch ein Beschäftigungszuwachs von 432.000 zusätzlichen Vollzeitkräften erzielt werden.

  • Teilzeitkräfte als Schlüsselressource: Würden teilzeitbeschäftigte Frauen ohne betreuungspflichtige Kinder nur die Hälfte der Arbeitszeit ihrer männlichen Kollegen übernehmen, könnte der deutsche Arbeitsmarkt um 1,7 Millionen Vollzeitstellen wachsen.

Die Grafik zeigt die Anzahl der Arbeitsstunden pro Jahr pro Person im Erwerbsalter im internationalen Vergleich. In Deutschland arbeiten Erwerbstätige 1033 Stunden im Schnitt pro Jahr. Und damit im Vergleich recht wenig. Deutschland belegt eine der unteren Rangplätze. Am meisten wird in Neuseeland gearbeitet: 1393 Stunden. Am wenigsten in Belgien: 1021 Stunden.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Politik

Weiterbildung, flexiblere Arbeitszeiten und eine attraktivere Vergütung gehören bereits heute zu den bevorzugten Maßnahmen, mit denen Familienunternehmen dem Fachkräftemangel begegnen und zu Mehrarbeit motivieren. Ebenso sind sie jedoch auf verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen (Absatz vgl. ifo 2022).

Der aktuelle Arbeitskräftemangel war absehbar. Bedingt durch den demografischen Wandel gehen deutlich mehr Menschen in Rente, als in den Arbeitsmarkt strömen. Das Problem dürfte in den kommenden Jahren noch größer werden. Bis 2030 könnten dem deutschen Arbeitsmarkt rund fünf Millionen Fachkräfte fehlen, zeigt eine Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2022.

Das wird in den kommenden Jahren auch die neue Bundesregierung auf eine harte Probe stellen. Maßnahmenpakete sind gefragt. Was nun politisch geschehen muss, dazu haben die Wissenschaftler des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) klare Empfehlungen formuliert. Dazu zählen:

  • Steuerliche Anreize gezielt setzen: Es muss sich lohnen, mehr zu arbeiten – gerade für diejenigen, die in Teilzeit tätig sind oder ihre Arbeitszeit aufstocken könnten.

  • Bürokratische Hürden senken: Die Politik muss die bürokratischen Hürden bei der Bereitstellung von Kinderbetreuung erleichtern, um mehr Frauen eine Rückkehr in den Vollzeitarbeitsmarkt zu ermöglichen.

  • Weiterbildung systematisch fördern: Österreich macht es mit dem Fachkräftestipendium (FKS) vor: Individuelle Begleitung, finanzielle Anreize und Mentoring helfen Menschen ohne Abschluss auf dem Weg in den Arbeitsmarkt.

  • „Rente mit 63“ überdenken: Nicht jeder, auf den dieses Modell zutrifft, ist körperlich an der Belastungsgrenze. Die Politik sollte die Regelung präziser auf die Berufsgruppen zuschneiden, die tatsächlich von harter körperlicher Arbeit betroffen sind.

Fachkräftemangel: Die Zeit des Wartens ist vorbei

Fest steht: Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Gegenwartsproblem mit spürbaren Folgen für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Dafür ist jetzt entschlossenes Handeln gefragt.

Datum
18.6.2025, München

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