Preise steuern besser als der Staat
München, den 29. März 2022. Familienunternehmen sind für klare staatliche Regeln und für die soziale Marktwirtschaft. Gerade in Ausnahmesituationen wie der Finanzmarktkrise, der Corona-Pandemie und jetzt angesichts eines Krieges in Europa ist staatliches Eingreifen nötig. Doch wann wird staatliche Regulierung zu Dirigismus? Ist verantwortliches Unternehmertum möglich, wenn sich wirtschaftliches Handeln ständig an abstrakten moralischen Kategorien messen lassen muss?
Der Wissenschaftliche Beirat der Stiftung Familienunternehmen stellt dazu heute in Berlin sein aktuelles Jahresheft vor: „Freies Unternehmertum und staatliche Lenkung“. Seine Empfehlung: Man sollte in der Politik wieder zu einem Konzept zurückkehren, das auf Eigenverantwortung setzt und individuelle Freiheiten schützt.
Wohlfahrtsverluste durch Neodirigismus
Die Autoren Clemens Fuest, Udo Di Fabio und Gabriel Felbermayr haben die Effizienz staatlicher Eingriffe anhand verschiedener Beispiele untersucht und analysiert, ob man dieselben Ziele nicht mit anderen Mitteln besser und zu geringeren Kosten erreichen könnte. Den politisch definierten Handlungsbedarf zweifeln sie dabei nicht an: im Umwelt- und Klimaschutz, bei der Frage der Menschenrechte, auf dem Weltmarkt für Chips oder Gesundheitsgüter, in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie diskutieren allein die Wahl der Mittel und zeigen marktwirtschaftliche Alternativen auf.
Ihre Bilanz, präsentiert im Haus des Familienunternehmens am Pariser Platz, klingt besorgniserregend. Die Wissenschaftler warnen vor erheblichen Wohlfahrtsverlusten durch Neodirigismus. Ihr Appell: Es gilt, staatliche Eingriffe angemessen zu gestalten. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht. Eine engmaschige Steuerung der Unternehmen führe zu einer Überforderung, ohne dass die gewünschten Ziele erreicht würden.
Staatliches Handeln ja, staatliches Steuern nein
Dazu Professor Rainer Kirchdörfer Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats und Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „In Deutschland regiert nicht immer nur die unsichtbare Hand des Marktes. Der Staat greift ein, wenn der Markt versagt oder wenn makroökonomische Krisen aus dem Ruder laufen. Doch es gibt eine Grenze. Neodirigismus betäubt das lebendige Unternehmertum – und damit den Wohlstand unseres Landes.“
Staatliches Handeln ist unstreitig erforderlich, etwa wenn es um die Regulierung der Finanzindustrie oder das Artensterben geht, meint Professor Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, München. Er hält es aber für falsch, Kapitalströme oder unternehmerische Investitionsentscheidungen staatlich zu steuern. Preissignale seien die große Stärke der Marktwirtschaft. Staatliche Eingriffe müssten mit marktwirtschaftlichen Prozessen verbunden werden.
Der frühere Verfassungsrichter Professor Udo Di Fabio problematisiert dirigistische Marktinterventionen wie zum Beispiel den staatlich vorgegebenen Mindestlohn oder die geplante Taxonomie der EU-Kommission. Die Tarifautonomie und der Schutz des Eigentums nähmen Schaden. Der Markt als Entdeckungsverfahren werde ausgeschaltet. Die Elastizität bei der Transformation der Wirtschaft gehe verloren. Vorsicht sei zudem geboten, wenn Partikularinteressen die demokratische Willensbildung unterlaufen.
Professor Gabriel Felbermayr, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), hat das geplante Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz der EU untersucht – als Beispiel für einen neodirigistischen Ansatz. Dass Unternehmen verpflichtet werden sollen, Tausende von Lieferanten in entfernten Ländern perfekt zu beobachten, bezeichnet er als lebensfremd. Das Gesetz führe zu höheren Importkosten, kürzeren Lieferketten und einer schlechteren internationalen Arbeitsteilung.
Teaserbild: Udo di Fabio © Stiftung Familienunternehmen / Marco Urban