Akuter Fachkräftemangel in der digitalen Transformation
Der Mangel an Fachkräften in den zentralen Berufsgruppen für die digitale Transformation ist enorm – und macht gerade Familienunternehmen die Rekrutierung schwer. Eine neue Studie der Stiftung Familienunternehmen betrachtet detailliert Berufsfelder und Regionen – und gibt Handlungsempfehlungen. Helfen kann die Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG), die seit 1. November 2023 sukzessive in Kraft tritt.
München, den 31. Oktober 2023. Ende 2022 war die Situation auf dem Arbeitsmarkt so angespannt wie noch nie: In den westdeutschen Bundesländern gab es für 63 Prozent der offenen Stellen keine passend qualifizierten Arbeitslosen, im Osten galt das für 58 Prozent. Das bedeutet, dass etwa sechs von zehn Ausschreibungen unbesetzt bleiben. So zeigt es die vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln erstellte Studie „Fachkräfte für die digitale Transformation“.
Betrachtet werden vier Berufsfelder, die in einer Vorgängerstudie vom IW als zentral für die digitale Transformation identifiziert wurden. Dazu gehören zum einen die klassischen IT-Berufe, aber auch solche aus den anderen Berufsfeldern wie Maschinenbau und Fahrzeugtechnik oder Energie- und Elektrotechnik.
Fünfmal so viele offene Stellen
Heruntergebrochen auf einzelne Berufsgruppen heißt das dann, dass allein bei den akademisch qualifizierten IT-Experten die Zahl der gemeldeten offenen Stellen von rund 3.500 im Jahr 2016 auf 18.200 im Jahr 2022 gestiegen ist. Das ist mehr als eine Verfünffachung. Allerdings kann sich die Lage je nach benötigter Qualifikation und Region sehr unterschiedlich darstellen.
Beispielsweise gab es bei bestimmten IT-Berufen in Berlin mit über 1.500 und in Köln mit fast 400 sogar einen Überhang an Arbeitssuchenden. Im Berufsfeld Mechatronik, Energie und Elektro dagegen waren praktisch bundesweit keine passenden Bewerber zu finden. Im Arbeitsagenturbezirk Schwandorf betrug die Stellenüberhangsquote gar 92,6 Prozent.
Das IW empfiehlt einen deutlichen Fokus auf die Gewinnung ausländischer Fachkräfte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung die Kritik am FEG aus dem Jahr 2020 so schnell aufgegriffen hat. 82 Prozent der befragten Familienunternehmen empfinden ausländische Fachkräfte als Bereicherung, so das Ergebnis einer begleitenden Befragung bei 846 Unternehmen, davon 566 Familienunternehmen. Gleichzeitig geben 64 Prozent an, dass die Rekrutierung im Ausland sie überfordert. Nur knapp ein Viertel aller Familienunternehmen hat in den letzten drei Jahren internationale Fachkräfte beschäftigt.
Weitere Hürden müssen fallen
Insgesamt wird es künftig deutlich mehr Wege geben, Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Dafür müssen aber die Prozesse in der Verwaltung schneller und transparenter werden und weitere Hürden fallen, so das IW. Die Studie zählt hier auf: eine stärkere Digitalisierung der Behördenstrukturen, die Aufhebung des Verbots von Zeitarbeit oder die Schaffung zentraler Unterstützungsangebote.
Dr. David Deißner, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen:
„Es ist erfreulich, dass die Unternehmen in einigen Punkten nun günstigere Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland vorfinden, zumindest von Seiten des Gesetzgebers. Erst die Praxis wird zeigen, ob die Verbesserungen bei den Unternehmen ankommen. Dabei geht es nun vor allem um die Verschlankung und Digitalisierung der Verwaltungspraxis. Hier stehen viele Unternehmen vor großen Hürden.“
Oliver Wilhelms, HR Head Germany & Switzerland bei der Henkel AG & Co. KGaA:
„Das neue Gesetz erweitert den Kreis der Möglichkeiten. Arbeitgeber in Deutschland können nun auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Ausland beschäftigen, die keinen Abschluss aber gute Fachkenntnisse haben.“